Bredow. Einen großen Schatz konnte Klaus-Peter Fitzner bereits heben.
Nein, keine Silbermünzen aus frühen Zeiten, sondern eine
Karte von 1859. Es war das Jahr, als der erste von drei großen Bränden Bredow heimgesucht hat. "Sie zeigt, welche Häuser
stehengeblieben sind und welche nach dem Brand neu gebaut werden mussten", sagt der Ortschronist. Seit 2003 stöbert er in
Bredows Historie, damals in Vorbereitung des großen Jubiläums. Denn der Ort feierte 2008 sein 800-Jähriges. "Bredow war der
Stammsitz der Familie von Bredow", sagt Fitzner, der selbst seit 1998 dort wohnt. Vor Kurzem war ein Nachfahre der Familie
von Bredow extra aus Kanada angereist, um in der 1861 errichteten Kirche zu heiraten. Einer seiner Vorfahren -
Gerhard Joachim von Bredow - hatte das Dorf wegen Geldproblemen 1929 an die
Zuckerfabrik Nauen verkauft. "Die Bredower sind stolz auf ihr Dorf", weiß Ortsvorsteher Erhard Moebes. Dabei konnte man zu DDR-Zeiten nicht mal erahnen, dass der Ort früher zu den reichsten Gemeinden im Osthavelland gehörte. "Vergessenes Dorf" nannten die Bredower ihren Ort selbst, er galt zudem bei einigen Auswärtigen wenig schmeichelhaft als "hässlichstes Dorf des Havellandes". Als die LPGen das Sagen hatten, passierte nämlich nicht allzu viel, es wurde kaum investiert. Das letzte Haus des so genannten Tagelöhnerhofes soll erst 1989 fließend Wasser erhalten haben. Mittlerweile ist die Anlage an der Hauptstraße mit Fördermitteln auf Vordermann gebracht worden. Überhaupt hat sich nach der Wende 1989 eine Menge getan im Dorf. Die Anfang der 60er-Jahre errichteten Wohnblöcke wurden teilsaniert, Straßen erneuert. Die Nauener Straße soll in absehbarer Zeit auch an die Reihe kommen. Die ehemalige Schule, in der jetzt die Kita ist, wurde saniert. Und was nur wenige wissen: Das Güterverkehrszentrum Brieselang, in dem sich unter anderem Amazon und Zalando befinden, steht größtenteils auf Bredower Gemarkung. Der Landkreis war Anfang der 90er-Jahre von der GVZ-Idee nicht begeistert gewesen. "Das Gewerbegebiet stand damals in Konkurrenz zum GVZ Wustermark", so Moebes. Doch man konnte sich auf einen Kompromiss einigen. Andere Dinge klappten hingegen nicht so gut. Das alte LPG-Gelände und auch das Bahnhofsgebäude haben immer noch keine Nutzung, weil die Treuhand damals nicht mitspielte. Somit fehlt weiterhin eine richtige Begegnungsstätte für Jung und Alt statt des derzeitigen engen Gebäudes, in dem auch noch die Feuerwehr ist. Die Begegnungsstätte soll nun bald auf dem alten Gutsgelände mitten im Ort entstehen. Vieles hat sich geändert seit der Wende, eines nicht: "Es ist ein klassisches Bauerndorf geblieben", sagt Moebes. Pferdezucht, aber auch Rinder und Schafhaltung prägen den Ort. Es gibt mehr Schafe als Einwohner - mehr als 1000 gegenüber rund 650. Aber der Ort kann mittlerweile auch auf Zuzug verweisen. Seit fünf Jahren lebt Fritz Helmecke mit seiner Familie dort. Sie kamen aus Berlin nach Bredow. "Für die Kinder ist es hier sehr schön. Sie können raus und gleich spielen", sagt der 38-Jährige. Für ihn war wichtig, dass die Bahnlinie in der Nähe ist. "Die Leute sind ganz nett hier", sagt er. Dass das Dorfleben funktioniert, zeigt sich auch daran, dass gemeinsam gefeiert wird - unter anderem seit 2011 das Teichfest. Das nächste ist Anfang Juni. Aber auch das Erntefest hat eine Tradition. Nachdem es 2014 mal nicht gefeiert wurde, kümmerte sich der noch junge Förderverein der Kita um die Organisation. "Wir hatten uns gesagt, lass es uns doch 2015 machen. Sonst wird es keiner mehr tun, denn es bedeutet schon recht viel Aufwand", sagt Kita-Chefin Simone Dekarz. Dieses Jahr soll es sogar über zwei Tage gehen, bereits am Freitag anfangen. Die Kita selbst ist gut nachgefragt, rund 60 Kinder werden betreut. "Die Eltern schätzen die kleine, familiäre Einrichtung", sagt Simone Dekarz. Etwa die Hälfte der Kinder kommen aus Brieselang. Mit dem großen Nachbarort haben die Bredower ihren Frieden geschlossen, nachdem sie mit ihrer Klage gegen die Eingemeindung 2003 vor Gericht gescheitert waren. "Das war eine reine Emotionssache", sagt Erhard Moebes, damals noch Bürgermeister. "Die Kirche war zur Versammlung knackevoll. Ich hatte als einziger dafür gestimmt, weil ich eigentlich fand, die Brieselanger waren fair." Zu dem Zeitpunkt war Bredow schon einige Zeit Drehort für "Polizeiruf 110"-Filme. Bei "Dettmanns weite Welt" von 1998 kam sogar Dolly Buster zu einem Promotiontermin in den Ort [Anm. 2017: Das war nicht in diesem Film, sondern in "Das Wunder von Wustermark"]. "Da wurden die Alten wieder jung. Mit Krücken ging's in die Gaststätte Grünefeld", erinnert sich Hans-Joachim Pohlann schmunzelnd. Gut in Erinnerung haben sie auch Ben Becker, der sich wie die anderen Schauspieler so verhalten habe, "als wenn er zum Dorf dazu gehört". Von Starallüren keine Spur. Auch Szenen zu "Heiliger Birnbaum" mit Pfarrer Braun wurden in Bredow gedreht. Die Schauspieler werden aber keinen Eingang in Iris Kiesels Buch finden, das sie derzeit vorbereitet. Die 67-Jährige befasst sich mit Bredows Personengeschichte, durchforstet dazu seit drei Jahren die Kirchenbücher - angefangen 1660. Warum? "Der Großvater meines Mannes ist in Bredow geboren", erklärt sie und stieß auf eine interessante Sache: Der allererste Eintrag im ältesten Kirchenbuch beschreibt die Taufe eines Vorfahren ihres Mannes am 5. August 1660. Iris Kiesels Sohn ist auch an einem 5. August geboren. Von Andreas Kaatz MAZ-Online. |